
Skinpicking verstehen: Ein Leitfaden für Angehörige
Skinpicking ist für Betroffene oft mit Scham, Hilflosigkeit und Frustration verbunden – und für Angehörige ebenso. Warum hört die Person nicht einfach auf? Warum scheint kein Mittel zu helfen? Wenn du einen Betroffenen in deinem Umfeld hast, kann es herausfordernd sein, unterstützend da zu sein, ohne Druck oder Missverständnisse zu erzeugen.
Skinpicking (Dermatillomanie) ist eine psychische Störung, bei der Betroffene zwanghaft an ihrer Haut manipulieren – oft stundenlang, meist unbewusst oder in Trance. Häufig sind kleine Unregelmäßigkeiten der Auslöser, doch dahinter stecken meist tieferliegende Themen wie Stress, Perfektionismus oder emotionale Anspannung.
Viele Betroffene empfinden ein starkes Verlangen, ihre Haut zu „bearbeiten“, um sich kurzfristig Erleichterung zu verschaffen. Gleichzeitig löst das Verhalten Scham, Schuldgefühle und Frustration aus. Außenstehende verstehen oft nicht, dass „einfach aufhören“ keine Option ist. Skinpicking ist kein schlechter Wille, sondern eine tief verankerte Gewohnheit.
Was du als Angehörige*r tun kannst
1. Verstehen statt Urteilen
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Vermeide Vorwürfe oder gut gemeinte Ratschläge wie „Hör doch einfach auf“ – das erzeugt nur noch mehr Druck.
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Informiere dich über die Störung, um zu verstehen, dass es sich nicht um eine „schlechte Angewohnheit“ handelt, sondern um eine psychische Herausforderung.
2. Die richtige Kommunikation finden
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Zeige Verständnis und mache klar, dass du für die Person da bist, ohne zu drängen.
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Frage offen nach, wie du unterstützen kannst: „Möchtest du darüber sprechen?“ oder „Wie fühlst du dich damit?“
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Achte auf sensible Sprache – Begriffe wie „zerstören“ oder „selbst schuld“ können das Gefühl der Scham verstärken.
3. Unterstützung im Alltag bieten
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Gemeinsam Alternativen finden: Ablenkung, gemeinsame Aktivitäten oder Stressabbau können helfen, Skinpicking-Momente zu reduzieren.
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Gemeinsam Lösungen suchen: Wenn deine Angehöriger offen dafür ist, kann professionelle Unterstützung durch Coaching oder Therapie eine große Hilfe sein.
4. Geduld und Selbstfürsorge bewahren
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Skinpicking ist ein Prozess, kein Schalter, der umgelegt werden kann. Rückfälle gehören dazu – sie sind kein Zeichen von mangelndem Willen, sondern Teil der Veränderung.
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Achte auf dich selbst: Es ist herausfordernd, einer geliebten Person helfen zu wollen. Setze auch für dich selbst Grenzen und nimm dir Pausen.
Wie du noch mehr tun kannst
Wenn du mehr über Skinpicking lernen möchtest oder deinen Angehörigen auf dem Weg unterstützen willst, kann ein Coaching oder eine gezielte Begleitung hilfreich sein. Ich biete spezielle Programme für Betroffene an, aber auch Beratung für Angehörige, die sich besser auf diese Herausforderung einstellen möchten.
Leitfaden für Eltern: Skinpicking frühzeitig erkennen und vorbeugen
Viele Kinder knibbeln an Wunden, reißen an der Nagelhaut oder beißen auf den Lippen – doch wann wird daraus mehr als eine harmlose Angewohnheit? Skinpicking beginnt oft im Kindesalter und kann sich mit der Zeit verstärken, wenn nicht frühzeitig darauf geachtet wird.
Als Eltern könnt ihr einen großen Beitrag leisten, indem ihr sensibel für die Anzeichen seid, Stressauslöser erkennt und eine liebevolle Umgebung schafft, die emotionale Regulation fördert.
1. Frühe Anzeichen von Skinpicking erkennen
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Häufiges Knibbeln, Kratzen oder Beißen: Dein Kind kratzt immer wieder an Wunden, zieht Nagelhaut ab oder beißt sich auf Lippen oder Wangen.
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Unbewusstes Verhalten: Das Verhalten tritt vor allem in entspannten Momenten auf (z. B. vor dem Fernseher, beim Lesen) oder in Stresssituationen.
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Wiederholtes Auftreten: Selbst kleine Hautunregelmäßigkeiten oder Mückenstiche werden „bearbeitet“.
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Verstecken der Hautstellen: Dein Kind fühlt sich unwohl, zeigt ungern Hände oder Gesicht oder trägt lange Ärmel, auch wenn es warm ist.
2. Warum Skinpicking im Kindesalter beginnt
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Beruhigungsstrategie: Manche Kinder nutzen Skinpicking, um sich in stressigen oder emotional aufwühlenden Momenten zu beruhigen.
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Langeweile oder Konzentration: Knibbeln kann in Situationen mit wenig Ablenkung oder hoher Konzentration (z. B. Hausaufgaben) auftreten.
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Perfektionismus: Kinder, die stark auf Ordnung und Perfektion achten, empfinden kleinste Unebenheiten als störend und wollen sie „beseitigen“.
3. Wie Eltern vorbeugen können
Liebevolle Aufmerksamkeit statt Druck. Nicht bestrafen oder schimpfen.
Das Verhalten ist keine Unart, sondern oft eine unbewusste Selbstregulation. Negative Kommentare wie „Lass das!“ oder „Hör endlich auf!“ verstärken den Druck und damit oft das Verhalten selbst.
Besser: „Ich habe gesehen, dass du wieder an deiner Haut knibbelst. Ist gerade etwas los, was dich stresst?“
Gesunde Alternativen anbieten
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Fidget-Spielzeuge oder Knautschbälle: Diese können helfen, die Hände zu beschäftigen.
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Sensorische Beschäftigungen: Kneten, Malen oder Strukturen ertasten kann das Bedürfnis nach taktilem Reiz umlenken.
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Achtsamkeit und Körperwahrnehmung stärken: Spielerische Atemübungen oder sanfte Körpermassagen helfen, Stress abzubauen.
Anspannungszustände früh wahrnehmen
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Achte auf Verhaltensänderungen: Zieht sich dein Kind zurück? Ist es schnell gereizt oder angespannt?
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Frage nach: „Ich habe das Gefühl, dass du gerade unruhig bist. Magst du mir erzählen, was los ist?“
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Unterstütze eine gesunde Stressbewältigung: Viel Bewegung, kreative Ausdrucksformen und ein fester Tagesrhythmus helfen Kindern, Emotionen besser zu verarbeiten.
4. Wann professionelle Hilfe sinnvoll ist
Wenn das Skinpicking trotz aller Bemühungen anhält oder schlimmer wird, kann ein frühzeitiges Gespräch mit einem Experten helfen. Eine therapeutische Begleitung kann verhindern, dass sich das Verhalten chronifiziert.
Ich unterstütze Eltern und Kinder dabei, Skinpicking frühzeitig zu verstehen und sanft entgegenzusteuern.
Mit Achtsamkeit, Verständnis und den richtigen Strategien kannst du als Elternteil viel dazu beitragen, dass dein Kind lernt, mit Anspannung umzugehen – ohne seine Haut zu belasten.
